23. Januar 2014
Letzte Woche, Freitag abends, hat sich ein paar Straßen von meinem Haus entfernt ein Mann in die Luft gesprengt. Er tötete die drei Wächter der „Taverna“, eines libanesischen Restaurants, das bei Ausländern beliebt ist. Nach der Explosion rannten zwei mit Kalaschnikows bewaffnete Männer in das Gebäude und erschossen die Gäste, die gerade beim Abendessen saßen. Ein paar von ihnen versteckten sich unter den Tischen. Sie überlebten nicht.
„my father's inside the restaurent. Can u please update. no one is answering phone #Kabul“ schrieb die Tochter des Restaurant-Besitzers auf Twitter. Es gab den Hashtag #FindKamelHamadeh und kurz darauf die Nachricht eines Fremden: „I am sorry to say this. But he has been said „no more“. I am very sorry again.“ Später erzählten zwei Küchengehilfen, der Restaurantbesitzer habe noch versucht, seine Gäste mit einer Waffe zu verteidigen.
Laut dem Afghanistan Analysts Network töteten die Angreifer insgesamt 20 Menschen:
Der Restaurantbesitzer.
Die drei Wächter.
Ein afghanisches Ehepaar, die vor fünf Monaten geheiratet hatten und gerade von ihren Flitterwochen aus Dubai zurückgekehrt waren.
Zwei Fahrer, die vor dem Restaurant warteten und von der Explosion getötet wurden. Einer von ihnen hatte sieben Kinder.
Der Landesdirektor des IMF.
Ein UN-Mitarbeiter, der in den 80er Jahren als sowjetischer Diplomat in Afghanistan war.
Zwei Frauen, die für UNICEF arbeiteten: eine Gesundheits-Spezialistin aus Pakistan und eine Ernährungs-Expertin aus Somalia.
Ein dänischer Mitarbeiter von EUPOL und seinen Bodyguard.
Ein britischer Kandidat für die Europäischen Parlamentswahlen in diesem Jahr.
Eine malaiische Mitarbeiterin des Beratungsunternehmens Adam Smith International.
Zwei kanadische Buchhalter, die Entwicklungsprojekte prüfen.
Zwei amerikanische Dozenten der American University in Kabul.
Es gab mehr als ein Dutzend Anschläge, seit ich in Kabul lebe, die meisten habe ich schon vergessen. Ich erinnere mich noch an den Ersten: Auf der Straße von Kabul nach Jalalabad sprengte ein Mann sich und sein Auto in die Luft. Es klingt vermutlich bizarr, aber ich war an diesem Abend erleichtert: sechs Wochen lang war nichts passiert und auf eine merkwürdige Weise hatte mich das beunruhigt.
Ich erinnere mich noch an einen Anschlag kurz vor der Stammesältesten-Versammlung „Loya Jirga“. Die Sicherheitskontrollen wurden verschärft und für zwei Tage kollabierte der Verkehr.
Ich erinnere mich an eine Explosion, die so laut war, dass viele glaubten, ein Erdbeben habe die Stadt erschüttert. Später erklärte das Innenministerium, es habe eine kontrollierte Sprengung durchgeführt, mitten in der Innenstadt.
Und ich erinnere mich an einen Anschlag auf das Hauptquartier von ISAF, ein paar Wochen nachdem mich ein Bundeswehr-Soldat dort gefragt hatte, ob ich denn nicht manchmal Angst hätte da draußen. Damals starb niemand, aber für manche war es der Beweis, dass selbst der am meisten abgesicherte Ort der Stadt nun nicht mehr sicher sei.
Der Angriff auf das Restaurant war nicht der erste Anschlag seit ich in Kabul lebe. Und trotzdem war etwas anders als sonst:
Deutsche Medien berichteten ausführlich. Auf Facebook schrieben Leute, dass sie an die Familien der Toten denken. Freunde fragten mich besorgt, ob alles in Ordnung sei. Mein Vater sagte mir, er fände, es sei an der Zeit, dass ich zurück komme. Und ich dachte darüber nach, ob er vielleicht Recht haben könnte.
Und noch etwas ist diesmal anders: Wir kennen die Namen der Toten. Vielleicht weil die meisten von ihnen Ausländer waren und nicht Afghanen.