Egal, welches Taxi man nimmt, man muss nicht lange fahren, bis im Radio ein unverwechselbare Stimme melancholisch-kitschige Schlager singt.
"Wer ist das?", fragte ich das erste Mal und weil ich mir Namen so schlecht merken kann, ein paar Mal darauf. Jedes Mal bekam ich die gleiche Antwort. "Das ist Ahmad Zahir, unser Elvis Presley." Und dann in etwa diese Geschichte:
Er wurde in den 1940er Jahren als Sohn des Politikers Abdul Zahir geboren. Schon als Jugendlicher schrieb er seine ersten Hits. Er brach sein Studium in Delhi für die Musik ab und wurde schnell bekannt, auch außerhalb Afghanistans. Viele seiner Lieder waren Balladen, aber in manchen Stücken kritisierte er auch die Politiker, die damals regierten. Im Sommer 1979 starb er bei einem Autounfall auf dem Salangpass. Aber viele Leute sagen, er wurde ermordet.
Als Ahmad Zahir starb, war er 33. Er hatte 27 Alben aufgenommen.
Letztens war ein Freund zu Besuch. Wir aßen und redeten und tranken. Irgendwann lehnte er sich zurück, ließ seinen Kopf nach hinten über die Sessellehne fallen und streckte, beinahe liegend, seinen linken Arm nach vorn. Er sah so aus wie ich mir einen Operntenor in der Badewanne vorstelle. Nur angezogen. Und ohne Badewanne.
Dann begann er zu singen: "It's now or never..." Er sang sehr gut. Ich kann das beurteilen, denn der Freund hörte den ganzen Abend nicht mehr auf damit. Er sagte in den nächsten Stunden vielleicht noch vier Sätze, aber Elvis' Lied sang er ein Dutzend Mal, auf Englisch, auf Dari, auf irgendwas dazwischen. "Das macht er immer, wenn er gut drauf ist", erzählte mir einer, der den Freund sieben Jahre länger kennt als ich.
Ich musste lachen, weil die Szene so absurd war und ich wurde traurig, weil es kurz vor dem Jahreswechsel war und ich daran dachte, wie gut der Satz das beschreibt, was viele Leute in Kabul über 2014 denken: It's now or never.
Heute, Wochen später, sehe ich auf Youtube: Nicht nur Elvis hat das Lied gesungen. Auch Ahmad Zahir.
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