Manchmal ist Kabul kompliziert. Es gibt Tage, da vergisst man das. Und dann gibt es Tage, da wird man wieder dran erinnert. Heute war einer der letzteren.
Wir waren für ein Interview im Camp Eggers, dem Hauptquartier von ISAF in Kabul. Obwohl das Interview für eine TV-Dokumentation ist, war Filmen nicht erlaubt. Wir führten also das Interview, machten ein paar Fotos und filmten stattdessen, mit Erlaubnis der afghanischen Soldaten, direkt an der Schranke vor dem Feldlager.
Dann fuhren wir wieder zurück. Wenn man vom Hauptquartier zu uns nach hause will, muss man erst einmal fünf Minuten lang an vier Meter hohen Betonmauern, Stacheldraht, Straßensperren und Checkpoints vorbei. Niklas filmte den Stacheldraht, fünf Sekunden lang, dann wurden wir angehalten. Filmen sei verboten, sagte ein Bewaffneter in Uniform.
Wir erklärten die Geschichte und boten an, die fünf Sekunden Stacheldraht zu löschen. “Alles schön und gut”, sagte der Mann, “aber ich muss den Kommandeur informieren. Und löscht bloß nicht den Film!” Es kam noch ein Mann und noch ein Mann. Alle fragten das Gleiche, alle hörten das Gleiche. Der letzte hatte ein Funkgerät in der Hand. Daraus: “Nehmt ihm das Telefon und alle Kameras weg und mit rein. Wir müssen das checken.” Ein Mann schrie unseren Fahrer, sichtbar Afghane, auf Englisch an, er solle den Schlüssel aus dem Zündloch nehmen und aufs Armaturenbrett legen. Der Fahrer versteht kein Englisch – also schrie der Mann nochmal auf Englisch – und wurde sauer, als ich anbot, zu übersetzen.
Wir mussten aus dem Auto aussteigen und auf einen weiteren Mann warten. Inzwischen hatten wir erfahren, dass wir vor der amerikanischen Botschaft gefilmt hatten. Anders als die deutsche Botschaft ist sie nicht entsprechend gekennzeichnet. Ich bot an, dass man bei der deutschen Botschaft nachfragen könne, sie ist nicht weit entfernt und dort kennt man uns. Keine Reaktion.
Stattdessen nahm ein Mann unsere Reisepässe, Arbeitserlaubnis und afghanische Presseausweise, und ging davon. In der Zwischenzeit kam der lang angekündigte Kommandeur. Niklas erzählte unsere Geschichte noch einmal, und löschte dann, wie seit 20 Minuten angeboten, die fünf Sekunden Stacheldrahtzaun. Der Mann mit den Reisepässen kam zurück, entschuldigte sich für das Aufheben und sagte, er hätte nur unsere Daten registriert, alle Papiere kopiert und einen Report nach Washington geschickt, wir seien das ja sicher gewöhnt. “Eigentlich nicht”, sagte Nik, “ich wohne erst seit drei Monaten hier.” “Seit drei Monaten?”, fragte der Mann. “Dann kennen die eure Namen eh schon.”
P.S. Während die auf Sicherheit bedachten Männer uns festhielten, waren sie übrigens so freundlich, uns alle umstehenden Gebäude und den Namen der Sicherheitsfirma, für die sie arbeiten, zu erklären. Danke!
Todesangst in Kabul, a la Ronja. Heute hab ich mitten in der Innenstadt einen Jungen gesehen mit ein paar zappelnden Schlangen in der Hand. Er fuchtelte damit in der Luft rum, in meine Richtung. Ich rannte schreiend davon. Der Junge mit den zappelnden Schlangen rannte hinterher. "Mach das nicht, ich hab Angst", rief ich ihm zu, während wir beide die Straße entlang rannten. Es half nicht. Stattdessen rannte noch ein zweiter Junge los. Obwohl sein Fuß verstümmelt war, lief er schneller als der erste. Nachdem er mich eingeholt hatte, sagte er, immer noch rennend: "Tante, du musst keine Angst haben, die beißen dich nicht. Ist nur Plastik."
Why do some people feel their manhood grows in the second they hold a gun? I wish they could see the shit that weapons lead to - or even think about it.
Yesterday we helped cleaning a tiny green spot in Kabul. It reminded me of times, 20 years ago, when we were picking up trash from rivers and parking lots in our small village, far far away from here.
People of Afghanistan, friends and strangers, you have EVERY reason to be proud. Not just today, but: specially today. Im
humbled to be here and witness the hope that you brought to the empty roads of Kabul. Keep it up!
Chak chak mekonum.
My cleaning lady. The most stunning woman I probably know.
Today in the morning I asked her, if she had any problems with yesterday's explosion in our neighbourhood.
"Oh, I was right there, on the street. I saw it. The sound was very loud."
"Are you okay?"
"Ja ja, dont worry."
"You can take a day off if you want? Relax a little?"
She looks at me as if I had just lost my mind. Then she starts giggling. "No! Why should I?"
Heute gibt’s am Kiosk in der gedruckten ZEIT die neue Ortszeit. Sie heißt “Frauentag im Knast” und handelt – mittelmäßig überraschend – vom Frauentag.
Der ist in Kabul, anders als in Deutschland, so ereignisreich, dass gar nicht alles in die Kolumne gepasst hat. Zum Beispiel mein Besuch in der Jugendstrafanstalt. Ich war mit ein paar Menschenrechtlern dort, die bunte Kopftücher an die jungen Insassinnen verteilten. Als wir ankamen, hatten die Mädchen gerade Unterricht, Dari. In der letzten Reihe, ganz links, hatte ein Mädchen etwas auf ein Papier gekritzelt. „Hast du das gemacht? Das ist schön“, sagte ich – weil es einer der Sätze ist, die ich auf Dari kann und weil ich mir schweigend wie ein Zoobesucher vorkam. Dann schaute ich genauer. Rechts eine Frau mit Burka, links eine Frau mit Kopftuch. Dazu zwei Sprechblasen mit persischer Schrift. Ich fotografierte die Zeichnung (mit meinem eingeschmuggelten Handy) und bat später eine der Menschenrechtlerin um eine Übersetzung. Die Frau in Burka sagte: „My rights are violated. I want my rights.“ Und die Frau mit Kopftuch:„I am so happy.“
Drei Stunden nachdem ich mein Handy ins Gefängnis geschmuggelt und das Foto gemacht hatte, verlor ich es. Mein Vater würde sagen: “Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort.”
I can not describe how brave and strong and beautiful the people are that I meet herer everyday.
This time: Young afghans teach young afghan streetkids. And while I took pictures of the kids, they corrected my
Dari.
Vor einer Woche kam mein Dari-Lehrer mit einem weißen Umschlag ins Wohnzimmer. “Ich hoffe, ihr kommt zu meiner Party”, sagte er. “Was gibt’s denn zu feiern?” “Ich heirate!”
Heute also: meine erste afghanische Hochzeit. Männer und Frauen feiern in einem Saal und trotzdem getrennt – in der Mitte sind Pappwände aufgestellt. Frauen und Männer tanzen zur gleichen Musik und trotzdem auf zwei verschiedenen Festen. Der Foto-Abgleich danach zeigt, die Männer tanzen ziemlich anzüglich miteinander, die Frauen eher elegant. Spaß haben beide. Nach einer Weile kommen der Bräutigam und sein Bruder auf die andere Seite der Pappwand. Die Männer tanzen mit den Schwestern der Familie. Bräutigam und Braut sitzen auf einem Thron und beobachten das Ganze. Danach verschwinden sie in ein anderes Zimmer. Sie essen gemeinsam, machen Fotos, lassen sich gratulieren und ziehen sich um für die restliche Party: Statt traditionellen Gewändern gibt es nun Anzug und ein weißes Kleid.
Als wir um elf Uhr ein Taxi bestellen, ist die Schwester des Bräutigams entsetzt: “Es ist noch viel zu früh!” Der Bräutigam fragt: “Hat’s dir gefallen? War das Essen gut?” “Gut schon”, sage ich, “aber ein bisschen wenig”. Der Bräutigam fängt an zu lachen. Zu wenig Essen auf einer afghanischen Hochzeit – das kann nur ein Witz sein.
Heute wollte ich ein Karambol-Brett kaufen. Ich ging in den Supermarkt in unserer Straße und fragte, ob sie das Spiel haben. “Nein”, sagte der Verkäufer, “leider nicht. Versuch’s mal im Sportgeschäft um die Ecke.”
Ich ging zum Sportgeschäft. “Leider nicht”, sagte der Verkäufer im Sportgeschäft. “Aber versuch’s mal zwei Läden weiter.” Dort sagte der Verkäufer: “Nein, aber vorne, beim Kreisel, wenn du dort links gehst, kommts du zu einer Shoppingmall. Da gibt es einen Laden, Afghan Sports, die haben das. Inshallah."
Bis zur Shoppingmall ist es ein ziemliches Stück, ich fragte unterwegs noch in zwei anderen Läden. Einer der Verkäufer schickte mich in ein Geschäft für Kinderspielzeug. Dort wurde ich fündig. Es gab die Spiele in drei Größen: large, medium, small. Ich nahm das kleinste, ein Meter mal ein Meter, und ging zurück.
Der Mann vom ersten Shop winkte mir zu, als er die riesige schwarze Plastiktüte in meiner Hand sah. Der zweite lachte, als ich vorbeiging. Beim dritten klopfte ich an die Schaufensterscheibe und hob die Tüte hoch. Der vierte sprach gerade mit einem Kunden und im fünften streckten mir der Ladenbesitzer und zwei seiner Verkäufer die Daumen entgegen.
“Was hast du gekauft?”, fragte der Pförtner vor meinem Haus. “Karambol”, sagte ich. Und er: “Oh, sehr gut! Komm, ich erklär dir die Regeln.”
Englisch lernen mit meinem Pförtner:
“achilles heel… aim … bullet … anti-war … anti-corruption … air strike … army deserter”
“Ich glaub, die Worte wirst du nicht sehr oft brauchen.”
“Ich weiß. Aber das Wörterbuch hat unser Lehrer geschrieben. Und der hat jahrelang als Übersetzer bei der US-Army gearbeitet.”
1. Before you leave your house, use the bathroom! Statistics say that 95,1 % of Afghan households do not have sanitary installations.
2. The further you're away from running water, the pinker the toilet paper gets. The scala ends at purple sandpaper or: no paper at all.
3. If you have a long drive ahead of you, pass on drinks in the morning (gravelroads! no toilets!). If you stayed overnight as a guest, you will have to drink one cup of tea. Everything else would be extremly impolite. If possible, choose black tea. That way it's easier to refuse the econd, third and fourth cup.
4. On the road ruins are a good substitute for toilets (only in mine-cleared areas). Another option are unfinished aid projects, which were supposed to end up as schools, but somehow had no money left after toilets were build.
5. In the face of Afghanistan's cultural background it's rather complicated to urinate outside. Therefore it should be avoided whenever possible.
6. Especially for women.
7. If urinating outside is unavoidable, dont mistrust your driver when he offers to accompany you and wait halfway, to fight off curious children. He knows what he's talking about.
8. At night, beware of wild dogs. They bite halfnaked people, too.
9. If you use public toilets, dont trust the concept of a locked door. Instead, stay in front of the outhouse and start coughing. If no one coughs back, the toilet is free.
10. If a french squatter is build of clay, no worries. Just dont rely too much on your predecessors' aiming skills.
11. If a french squatter is tiled, take off your shoes and use the plastic slippers in front of the door. The floor is wet. Ideally, take your socks off, too. The plastic slippers are also wet.
12. No matter what people tell you: Never use the toilets of the police headquarter in Kunduz. Never.
I would like to thank my brother who gave me this as a farewell gift. I hope, I'll never need it.
Egal, welches Taxi man nimmt, man muss nicht lange fahren, bis im Radio ein unverwechselbare Stimme melancholisch-kitschige Schlager singt.
"Wer ist das?", fragte ich das erste Mal und weil ich mir Namen so schlecht merken kann, ein paar Mal darauf. Jedes Mal bekam ich die gleiche Antwort. "Das ist Ahmad Zahir, unser Elvis Presley." Und dann in etwa diese Geschichte:
Er wurde in den 1940er Jahren als Sohn des Politikers Abdul Zahir geboren. Schon als Jugendlicher schrieb er seine ersten Hits. Er brach sein Studium in Delhi für die Musik ab und wurde schnell bekannt, auch außerhalb Afghanistans. Viele seiner Lieder waren Balladen, aber in manchen Stücken kritisierte er auch die Politiker, die damals regierten. Im Sommer 1979 starb er bei einem Autounfall auf dem Salangpass. Aber viele Leute sagen, er wurde ermordet.
Als Ahmad Zahir starb, war er 33. Er hatte 27 Alben aufgenommen.
Letztens war ein Freund zu Besuch. Wir aßen und redeten und tranken. Irgendwann lehnte er sich zurück, ließ seinen Kopf nach hinten über die Sessellehne fallen und streckte, beinahe liegend, seinen linken Arm nach vorn. Er sah so aus wie ich mir einen Operntenor in der Badewanne vorstelle. Nur angezogen. Und ohne Badewanne.
Dann begann er zu singen: "It's now or never..." Er sang sehr gut. Ich kann das beurteilen, denn der Freund hörte den ganzen Abend nicht mehr auf damit. Er sagte in den nächsten Stunden vielleicht noch vier Sätze, aber Elvis' Lied sang er ein Dutzend Mal, auf Englisch, auf Dari, auf irgendwas dazwischen. "Das macht er immer, wenn er gut drauf ist", erzählte mir einer, der den Freund sieben Jahre länger kennt als ich.
Ich musste lachen, weil die Szene so absurd war und ich wurde traurig, weil es kurz vor dem Jahreswechsel war und ich daran dachte, wie gut der Satz das beschreibt, was viele Leute in Kabul über 2014 denken: It's now or never.
Heute, Wochen später, sehe ich auf Youtube: Nicht nur Elvis hat das Lied gesungen. Auch Ahmad Zahir.
Gestern Nacht gab es einen Anschlag auf das libanesische Restaurant “Taverna” in Kabul. Heute suche ich im Netz nach Neuigkeiten. “Mehrere Deutsche in Kabul getötet”, lese ich im Google-Teaser von faz.net. Ich erschrecke. Weil es bedeuten würde, dass ich wahrscheinlich einen der Toten kenne. Ich klicke auf den Link. Während er lädt, gehe ich im Kopf ein paar Namen durch und überlege, wer gerade alles in Kabul ist.
Dann lese ich den Artikel: “Angaben der Taliban, wonach unter den Opfern „eine Reihe hochrangiger deutscher Diplomaten“ sind, konnte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin zunächst nicht bestätigen. Der Krisenstab arbeite mit Hochdruck an der Aufklärung der unübersichtlichen Lage, sagte er.”Das kann alles Mögliche heißen, nur nicht: Mehrere Deutsche in Kabul getötet.
Mehrere deutsche Medien haben das Statement der Taliban übernommen und nicht kommentiert. Man hätte zum Beispiel schreiben können, dass diese Statements fast immer falsch sind. Dass sie bei einem Anschlag auf die Bundeswehr in Kabul vor einem Monat behaupteten, zehn deutsche Soldaten getroffen zu haben. Und dass damals in Wahrheit nicht mal einer verletzt wurde.
Es gibt einen twitternden deutschen Botschafter, der nichts von deutschen Opfern schreibt; es gibt deutsche Zivilisten, die gut vernetzt und per E-Mail und Handy erreichbar sind; es gibt ein DPA-Büro in Kabul; und jede Menge afghanischer Journalisten, die verlässliche Infos liefern.
Es gibt Quellen, die mehr sagen als die Taliban.
Man muss sie nur fragen.
Es gibt ein afghanisches Sprichwort, das geht so: “Sasaa-je korut ab-i garm.” "Die Strafe für harten Joghurt ist heißes Wasser”, soll bedeuten: “Schlechte Menschen verdienen eine harte Strafe.”
Als ich das erste Mal “Korut” gegessen habe, wollte ich es sofort wieder ausspucken, beim dritten Mal mochte ich den sauren Geschmack dann schon. Die golfballgroßen Kugeln aus getrocknetem Joghurt werden gekaut oder in heißem Wasser aufgelöst.
Kaugummi, Socken, Energy-Drinks und einzelne Zigaretten: Dieser Mann verkauft in seinem Laden so ziemlich alles. Früher, sagt er, sei er Journalist gewesen. Aber damit verdiene man inzwischen so schlecht.
Ab heute gibt's auf Zeit Online jeden Tag neue Eindrücke und Bilder von mir. Schaut mal vorbei!
Eine Konferenz für junge Unternehmer in Kabul. Zur Eröffnung stehen alle auf und hören der Nationalhymne zu:
Dieses Land ist Afghanistan
Es ist der Stolz aller Afghanen
Das Land des Friedens, das Land des Schwerts
Alle seine Söhne sind tapfer
Das Land aller Stämme
Land der Belutschen und Usbeken
Paschtunen und Hazaras
Turkmenen und Tadschiken
mit ihnen Araber und Gojaren
Bewohner des Pamir, Nooristanier
Barahawi und Qizilbash
Auch Aimaken und Pashaye
Dieses Land wird ewig leuchten
Wie die Sonne am blauen Himmel
In der Brust Asiens
Wird es ewig als Herz vorhanden sein
Wir folgen dem einen Gott
Wir alle sagen: Gott ist groß
Interview im ISAF Headquarter. Ein sehr netter, freundlicher und interessierter Soldat holt mich an der ersten Sicherheitsschleuse ab. "Sind Sie gerade Taxi gefahren?" fragt er. "Ja, das mach ich immer." "Hm." Etwas später: "Sagen Sie mal, fühlen Sie sich nicht manchmal unsicher?" Noch später: "Und Sie tragen wirklich nie eine Waffe?"
Als ich nach dem Interview auf mein Taxi warte, unterhalte ich mich mit drei Mädls, die vor dem Headquarter Schals und Schmuck verkaufen. Sie fragen: Bist du verheiratet? Hast du Kinder? Wieviel haben deine Schuhe gekostet? Warum sind deine Augen so blau? Was ist deine Lieblingsfarbe?
Nach einer knappen Woche spontan ausgerufener Feiertage wegen der Loya Jirga habe ich heute einen Freund angerufen.
"Wie war dein Urlaub?", fragte er.
- "Ganz okay, hab viel gearbeitet. Und bei dir?"
"Oh gut. Nur etwas chaotisch. Ein paar Bewaffnete haben versucht meinen Bruder zu entführen, gleich bei uns um die Ecke. Hat nicht geklappt, aber sie haben ihn angeschossen."
After every suicide attack the calculating of the dead beginns. It starts with one or two and then the numbers rise, usually rapidly. You can read the figures on twitter, you can hear them in the news. Everytime you force yourself to imagine what they actually mean. But you just cant.
After a couple of days the figures are gone. Was it 10? Was it 12? You dont even remember.
The brothers, the friends, the neighbours - they wont forget the figures: for them it was one. Maybe we should stop counting and instead try holding the hands of those who are surrounded by darkness, the ones we never see.
Blauer Himmel, Sonnenschein, Herbst in Kabul: Ich sitze im T-Shirt im Garten und lese endlich das Buch, das meine Oma (85) mir per E-Mail empfohlen hat: Die Brüder von Dieter Lattmann.
Schon im ersten Kapitel ziemlich gut.
"Kannst du mir mal verraten, warum sie dich 'Fünf' nennen?" (...)
"Das meiste ist doch vorherbestimmt, durch Eltern und Schule und was du so vorfindest um dich herum. Mindestens ebenso durch das politische System, das du dir nicht aussuchen kannst. Wenn du
nicht gerade in eine Katastrophe hineingeboren bist oder in sonst eine große Veränderung, ist das alles vorhanden und hat nicht auf dich gewartet. (...) Aber wenigstens fünf Prozent, glaube ich,
die gehören mir selber. Das bin ich. Die nehm ich mir heraus. Damit will ich leben, was sie nur hergeben, meine fünf Prozent Unverwechselbarkeit."
Dear journalist friends all over the world. I am very sad to announce that yesterday Mohamed Mohamoud Timacade lost his life. He was shot six times near his home in Mogadischu where he worked as a reporter for many years and where he tried to help other journalists doing their extremly dangerous job. He survived but after a few days in hospital he finally lost the fight. He was the 7th journalist killed in Somalia this year. Last year it has been 18.
One of Timacades bests friends wrote me today, that he was not able to go to the funeral, due to bad security situation. Heartbreakingly he explained his feelings, ending with the sentence "Were dying, only because were journalists."
There are colleagues in many parts of the world daily risking their lifes, for not even half the salary we earn. May their bravery and endurance remember us what our job is about. It is not about fame. It is not about colleagues telling us how awesome our last story was. It is about searching moments of truth. And it is about giving voices to those who cannot speak for themselves.
Fünf Uhr morgens. Ein Freund und ich warten auf den Fahrer, der uns zum Flughafen bringen soll.
Es ist dunkel. Der Mullah ruft.
"Ergibt das für dich irgendeinen Sinn?"
- "Hm? Was?"
"Er ruft: 'Gott, wo bist du? Wo bist du?' Ich mein: Ist er nicht derjenige, der das wissen sollte?"
Wenn ein paar Deutsche ein paar Afghanen treffen. Und Kameras dabei haben...
Heute grasen vier Schafe in unserem Garten.
Morgen ist Eid. Ein Feiertag, an dem Muslime in der ganzen Welt den Propheten Ibrahim (Abraham), ehren, weil er bereit war, seinen Sohn zu opfern. Gott hat's sich dann nochmal anders überlegt und ihm ein Lamm zum Schlachten gegeben.
Heute grasen vier Schafe in unserem Garten. Ich kann nicht aufhören, ihnen zuzuschauen, bei ihrem letzten Tag.
"The wise person is the one whose mind controls him from every disgrace - Imam El Shafei. To receive daily quotes text 77 to 824." Zwei Tage nach meiner Ankunft in Kabul bekam ich diese SMS.
Ich war neugierig und zwei Dollar erschienen mir ein fairer Preis für meine Neugier.
Ich tippte 77.
Seither vibriert mein Handy jeden Abend, um acht Uhr.
"A moment of patience in a moment of anger saves a thousand moments of regret." Ali Ibn Abi Talib
"Look at every act that you would hate to die while committing, and then abandon it." Abu Haazim Ibn Deenar
"The world is three days: As for yesterday, it has vanished, along with all that was in it. As for tomorrow, you may never see it. As for today, it is yours. So work on it." Al-Hasan Al-Basri
Zeitung lesen macht nicht gerade gute Laune in Kabul - wäre da nicht Samedi
Ein Freund aus Deutschland ist zu Besuch. Abends, im Garten eines Restaurants, erzählt er entgeistert: Mein Hotel wirbt mit "No-IED*-Guaranty"
* improvised explosive device
Sunday morning. Workshop for young artists in Kabul. The teacher explains the idea of "found object":
"War disrupts a lot of things including - as you know best - our daily life. So using these objects is also a way of looking for beauty in places where you would not expect them."
Mein Lieblingswort auf Dari (vorerst):
"Shirini"
Bedeutet: "Süßigkeiten" und "kleine Geschenke, die man seinen Freunden machen muss, wenn man sich selbst etwas Neues gekauft hat."
"Drug addicts - you have them in Germany aswell?"
- "Of course."
"Tell these people: It's better to come to Afghanistan. We have more drugs. And they are cheap, everyone can afford it."
- "Sounds like a good tourist attraction."
"Yes! Once I went to India.The driver said: 'You're from Afghanistan? Your opium, your heroin - very good.' I told him: 'I don't know. I didn't try it.' "
Nachts. Ich gehe mit einer Gruppe afghanischer Jugendlicher nach Hause. Einer von ihnen, er ist gerade 18 geworden, spricht mit starken amerikanischen Akzent. Als er mir von seiner Familie erzählt, schließt er mit den Worten. "Im the big bro."
- "How come your english is so good?"
"I learned it back then. When the Taliban were in power."
Ich bin irritiert.
"We had a tv. My father smuggled it with his bike from the border of pakisan. I watched american and hindu movies. That's how I learned it."
- "Would be funny if youd tell that to these guys."
"I talked to some of them. Actually I was so young that I didnt realize they were doing anything bad. It was years later when I realized how bad these times were. I just dont remember that
much."
- "Well maybe that's not too bad."
"Only thing I remember is when they slapped my grandmother."
- "What for?"
"She was wearing jeans on the streets."
"How are you? I wish you be healthy when come to Kabul. I escaped from Kunduz for treatment problems. Best, Babur"
Humayoon Babur arbeitet seit Jahren als Journalist in Kundus. Immer wieder haben ihm Taliban, Kriminelle und Politiker wegen seines Jobs mit Mord gedroht. Jetzt ist er geflohen.
"Ihr Koffer ist schwer. Er fühlt sich nach einer weiten Reise an."
- "Ja, das stimmt."
"Wo war`n Sie denn?"
- "In Afghanistan."
"Wirklich?! Ich glaub's nicht - das ist mein Land!"
- "Wann war`n Sie das letzte Mal dort?"
"2004. Danach war ich so traurig, dass ich einen Herzinfarkt bekommen hab."
"Ive been in Dushanbe lately."
- "How was that?"
"Its the same like here: the landscape, the people, they even speak Dari. Only difference is, you can do whatever you want. Go for a walk. Go for a walk at night! It's peaceful, you know."
- "How was coming back?"
"To Afghanistan?"
- "Yes"
"Well, it was like from paradise to hell. But our food is much better than theirs."
"Mein Sohn hat mich letztens gefragt: Papa, bin ich Paschtune? Ich hab gesagt: Klar! Ich bin Paschtune und du bist mein Sohn. Da hat er gesagt: Aber ich bin auch der Sohn meiner Mutter und
die ist Tadschikin."
- "Was hast du geantwortet?"
"Ich hab gesagt: Willst du mich verarschen?! ... Was hätt ich auch sonst sagen sollen?"
Ein Freund und ich warten vor den Mauern einer Dorfschule. Ein sehr sehr kleiner Stein fliegt neben uns vorbei. Der Freund sagt: "Just go over there." Dann nimmt er einen faustgroßen
Erdklumpen und wirft ihn über die Mauer, dorthin, wo er die Kinder vermutet.
Ich muss lachen. "Jalil, this is much too big. Take smaller ones!"
Er wirft einen zweiten großen Klumpen, einen dritten, einen vierten.
Dann kommt er zu mir und sagt: "You know, this is Afghanistan. If someone harms you and you say, oh it doesnt matter, he will harm you more. So, what you have to do is: Fight back!"
- "So that he knows, how powerful you are?"
"Yes. Exactly"
- "But I guess, as a woman, Im out of this, right?"
"Yes. Exactly"
- Why are you still working as a journalist, getting death threats and stuff?
I want to help my people. If I report about ugly things, sometimes people get arrested. So what should I do?
- (Schweigen)
And also I believe, if god wants me to be dead, I will die anyway.
- What about the other way round: If he wants you to live - will you stay alive?
Uyh, thats a difficult question .... But I think .... yes, if he wants me not do die, I wont die.
- Just dont relay to much on your god, okay?
Das in Badakhshan [Provinz im Nordosten Afghanistans], das ist ein ganz anderer Krieg. Mit Religion hat das nichts zu tun. Da
gehts um Rohstoffe. Weißt du, wir haben so viele verschiedene Kriege hier.
- Welcher ist der schlimmste?
Der gegen Pakistan, die wollen unser Land klauen. Das ist der Grund für alle Probleme.
If I would come to Germany, could I just kiss every girl?
- No. Why are you asking?
You know, a friend of mine, he was in London. And he said: people were kissing everywhere.
- Ja, but thats girlfriend/boyfriend. You can not kiss EVERY person.
Ah, I see. So I can just kiss a girl if she wants it too!
Vor ein paar Tagen kam der Mann, der Tee bringt, in mein Zimmer. "Machst du ein Foto?" fragte er. Ohne meine Antwort abzuwarten, stellte er sich vor die Wand, schaute in die Kamera und verschwand wieder.
You know, Afghans actually like the Germans a lot
- Why?
Oh, just for historical reasons
- You mean the friendship since the early 20th century?
No. You know, were Aryan people. And the Germans, too. Dont you name yourself so?
- Well...
Ein junger Afghane kommt an den Tisch, er hat gerade mit einem Politiker geredet und Werbung gemacht für eigene Projekte. Er
setzt sich und schenkt sich ein großes Glas voll Whiskey ein. Dann sagt er:
„You know Afghanistan is different from everywhere in the world. If you want to achieve something, you need to have patience. A lot of patience. And you need to bring an extra bag of patience.
Actually you need to bring an extra heart, an extra liver, an extra stomage, everything, because you will need it. You need to have them in your car, so that you
can change.“
Ich lache. Ziemlich laut.
„Youre laughing. You know why? Because you know that im right. I just talked a lot, so I came here to get me a new heart and a new liver, before I get upstairs again.“
„You know, if you need it, I can borrow you mine“
„Really? Because, you know, I will need it. I brought ten more, but I will need yours too. Not now, I have one left, but later. I will get upstairs again. But before – I have to drink this" – und
kippt sich den Whiskey runter.
You know, for me this security situation is just normal. I've been raised with it.
- So, you kind of turned professional in that, right?
Yes, the first time I saw a bombing from really close, I was ten. It was horrible and I'll never forget about it. But, you know, I dont wonna be sad all the time. Life is short. Specially in this
area of the world.
Ronja, ich versteh das nicht: Wieso wird man in Deutschland von Sex nicht schwanger? In Afghanistan dauert es neun Monate, dann hat die Frau ein Kind.
So...you're from Germany.
- Yes.
Which town?
- Munich.
(Schweigen. Fragender Blick)
- Its in the south.
You call it Munich in your language?
- No, we call it München. Munich is the english word.
Oh, then I dont know it. Just been to Frankfurt.
- You liked it?
No! It was so grey and rainy and cold. And in London it was even worse! I was so happy when I was back in Kabul. Ask my colleague, I told him: I'll never go there again! It's just too
cold.